Die Wettersäule
am Bischofstor wurde 1882 vom Naturwissenschaftlichen Verein gestiftet. Sie stand auf etwa halbem Wege zwischen der Rembertistraße und dem Bischofstor, auf dem heutigen Präsident-Kennedy-Platz. In einer Zeit ohne täglichen Wetterbericht gab die Wettersäule mit ihren eingebauten Geräten den Bewohnern der östlichen Vorstadt Auskunft über Wind und Wetter. Sie ist während des zweiten Weltkrieges verfallen und 1958 abgerissen worden. Wenige Meter von der Wettersäule entfernt, entstand um 1906 diese Fotografie mit Blick in die Rembertistraße.

Blick auf Rembertistr. und Fedelhoeren aus Richtung, um 1920 | Foto: Herm. Chr. Buesing
Blick auf Rembertistr. und Fedelhoeren, um 1920, Foto: H. C. Buesing

Ende neunzehnten Jahrhunderts sind weltweit meteorologische Wettersäulen entstanden, an denen eine individuelle und aktuelle Information über die Witterungsverhältnisse möglich waren. Sie waren u.a. Ausdruck eines Wunsches die eigenen Empfindungen mit der aktuellen Wettersituation abzugleichen. Übliche Bezeichnungen waren Uraniasäule, meteorologische Säule oder Wetterhäusl´n. Mit dem Aufkommen neuer Technologien konnte sich dieser Bautyp nicht dauerhaft durchsetzen. Erhaltene, historische Wettersäulen wurden in der Folge häufig zu Kulturdenkmälern.

Dr. Ph. Heinken, Gründungsmitglied des Naturwissen-schaftlichen Vereins zu Bremen führte ab 1829 zusammenhängende Aufzeichnungen  von Lufttemperatur, Windrichtung, Niederschlagsmengen, Zahl der Tage mit Niederschlag, Gewitter usw. durch. Nach seinem Tod übernahm der Apotheker Toel, gleichfalls Mitglied des Vereins, diese Aufgabe.

Seit 1864 veröffentlichten die Bremer Tageszeitungen die meteorologischen Beobachtungen des Optikers Carl Heymann zu Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Wind und sonstigen atmosphärischen Verhältnissen des Vortages. Der Wunsch über aktuelle meteorologische Daten zu verfügen, führte in Bremen bereits 1871 zur Anbringung eines Thermometers am Schilderhaus der Ostertorwache.

Auf Anregung von Dr. G. W. Focke und Dr. E. Lorent, Mitgliedern des Naturwissenschaftlichen Vereins beschloss die Bremer Sanitätsbehörde eine Meteorologische Station II. Ordnung zu gründen, die ab 1874 an das Netz der preußischen Stationen angeschlossen wurde. 1875 richtete der Verein eine maritime Beobachtungsstation auf dem Leuchtschiff Weser ein. Nach 1876 beschloss die Behörde die Einrichtung einer Regenstation auf dem Grundstück der Realschule am Doventor. Die Betreuung übernahm der Direktor der Realschule, der damalige zweite Vorsitzender und Gründungsmitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins Prof. Dr. F. Buchenau. Alle Messergebnisse wurden in entsprechenden Fachpublikationen veröffentlicht. Diese Wetterbeobachtungen sollten auch einer breiteren Bevölkerung zugänglich gemacht werden.

Die Anregung von dem technisch versierten Lehrer Dr. Müller-Erzbach (1839-1914) für den Bau einer Bremer Wettersäule im März 1880 fiel im Kreis des Naturwissenschaftlichen Vereins auf fruchtbaren Boden. Die Finanzierung sollte u.a durch interessierte Bremer Kaufleute übernommen werden.

Für den Entwurf der Wettersäule konnte der Bremer Architekt und Bauunternehmer Friedrich Wilhelm Rauschenberg gewonnen werden. Als Teilhaber und Inhaber der Firma Rauschenberg & Müller baute er Wohn- Land- und Mietshäuser u.a. Am Dobben 146, in dem er selbst wohnte und den Wienerhof in der Weberstraße Nr. 7-21. Rauschenberg setzte sich auch für die Erhaltung und die Verbesserung des Stadtbildes ein. Sein Nachlass ist im Bremer Focke-Museum verwahrt. Die endgültige Standortbestimmung und „ideale Lage“ vor der Rembertistrasse nahm der Architekt auf Grundlage eines Situationsplans vor.

Aquarelierte Zeichnung von Friedrich Wilhelm Rauschenberg, 6 März 1882 / Quelle: Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen
Standort der Säule vor dem Bischofstor, aquarellierte Zeichnung von Friedrich Wilhelm Rauschenberg, 6 März 1882, Quelle: Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen

Der Aufbau der dreiseitigen aus Obernkirchener-Sandstein hergestellten Säule erfolgte auf einem kreisrunden, zweistufigen Podest mit einem Durchmesser von 3,30 Meter unten und einem Durchmesser von ca. 2,60 Meter in der zweiten Stufe. Die erste Stufe war ca. 19 cm hoch, die zweite 17 cm, die Höhe bis zur Spitze der Kuppel bemaß etwa 4,20 Meter. Die Säule bestand aus einem Sockel, einem Mittelteil mit Schaukasten und einer aufwendigen Dachkonstruktion. Die Säule war innen hohl und durch Löcher konnte die Luft zirkulieren. Verziert war die Säule mit symbolischen Darstellungen meteorologischer Elemente. Die Stufen waren mit Richtungshinweisen und Entfernungsangaben in geographischen Meilen auf verschiedene Städte versehen (Hamburg, München, Berlin, Leipzig, Zürich, Paris, New York, London, Aberdeen, Bremerhaven, Haparanda (Nordende des Bottnischen Meerbusens) und anderer).

Aquarelierter Entwurf von Friedrich Wilhelm Rauschenberg, 28. April 1981 | Quelle: Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen
Aquarelierter Entwurf von Friedrich Wilhelm Rauschenberg, 28. April 1981 | Quelle: Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen

Auf der nordwärts gewandten Seite der Säule wurde mit hochwertigen Instrumenten auf gut lesbaren Skalen der Luftdruck, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit angezeigt sowie die höchste und niedrigste Temperatur des Tages festgehalten. Passanten sollten die Informationen im Vorübergehen aufnehmen können, ihnen sollte aber auch ermöglicht werden, eigene Instrumente zu vergleichen und zu regulieren. Folgende Geräte wurden dort unter einer Glasabdeckung installiert:

  • Ein Quecksilberbarometer
  • Ein Metallthermometer ergänzt durch ein zusätzliches Minimalthermometer in freier Luft, für eine genauere Messung der Temperatur
  • Ein Haarhygrometer nach Saussure als Feuchtigkeitsmesser

In einem ähnlichen Schrank wurde auf der Südseite der Säule die Wetterkarte der Hamburger Seewetterwarte ausgehängt. Auf der Südostseite waren atmosphärische und geographische Daten zur Stadt Bremen angebracht. Der exakte Text ist laut Schwarzwälder nicht mehr erhalten, folgende Daten sollen dort dargestellt worden sein:

  • Die Lage des Ansgarikirchturms, eines von C. F. Gauß im Jahre 1824 für die große Landesaufnahme des nordwestlichen Deutschland bestimmten Eckpunkte, unter 53°4´48´´ nördlicher Breite und 26°38´6´´ östlich von Ferro nach Gauß
  • Die magnetische Deklination 14° nach Westen und magnetische Inklination von 67,6° im Jahre 1882 für Bremen und Bremerhaven.
  • Historische Niederschlagsmengen
  • Historische Wasserstände der Weser und Normalpunkte des Pegels in Amsterdam (=Normalnull), in Bremerhaven und an der Großen Weserbrücke

Kugelaufsätze verzierten die Ecken des Daches das mit einem seeigelartigem Kopf gekrönt war. Aufgesetzt war eine Windrose und eine als Neptunfigur gestaltete Windfahne. An der südlichen Ecke befand sich eine Sonnenuhr und eine Messeinrichtung für Windstärke und Windrichtung.

Um die Lesbarkeit der Instrument zu verbessern wurden die Straßenlaternen näher an die Säule gerückt. Die bisher verwendete Bezeichnung „Meteorologisch Säule“ wurde zugunsten des populäreren Begriffs „Wettersäule“ aufgegeben.

Im Sommer 1882 wurde mit den Bauarbeiten begonnen und am 30. November 1882 wurde die Säule in Betrieb genommen.

„Es war ein im Geschmack der Gründerjahre schmuckes Werk entstanden, das unterstützt durch die günstige Lage, allgemein als Bereicherung des Stadtbildes anerkannt wurde. Sicherlich wurden die Geräte, insbesondere in der ersten Zeit, vom Publikum interessiert betrachtet; man nutzte die Angaben eifrig zur Ergänzung eigener Beobachtungen und Erfahrungen. Auch die Tageszeitungen beteiligten sich mit Ergänzungen und Informationen zur Wetterkunde und -beobachtung“ (Bremisches Jahrbuch 1988, Harry Schwarzwälder, Die Wettersäule vom Bischofstor, S.356).

Die Kosten für die Wettersäule und das umgebende Pflaster von 3600,- Mark wurden vom Naturwissenschaftlichen Verein und Bremer Kaufleuten übernommen. Die Säule wurde dem Staat als Geschenk angeboten und am 12. Dezember 1882 stimmte der Senat der Übernahme zu. Leider fand die Stadt anfangs keine klare Regelung für Unterhaltung und Wartung, was gelegentlich zu einem verwahrlosten Zustand der Wettersäule führte. Diese mangelnde Unterstützung war auch auf eine Kritik an konstruktions- und ortsbedingte Messungenauigkeiten der Säule gegründet. Erst zum Ende des 19.Jahrhunderts gab es ein festes Budget zur Unterhaltung und Pflege der Säule. Dies war dringend geboten, da die Wettersäule häufig Zielscheibe von Vandalismus war.

Erst im zweiten Weltkrieg verkam die Anlage, die Trittstufen mit den Ortsangaben verschwanden, die zerstörten Scheiben wurden nicht ersetzt und die Geräte gingen verloren. Auf hölzernen Tafeln und in den Nischen wurden Suchanzeigen, Tauschwünsche und Notizen befestigt. Durch Witterungseinflüsse verfiel die Säule rasch und 1958 stimmten Landeskonservator und Baudenkmalpflege dem Abbruch zu. Im Jahr 2012 sind, auch nach ausführlicher Recherche, keinerlei Überreste der historischen Wettersäule von 1882 mehr auffindbar.

Eine gute Übersicht historischer Wettersäulen in Europa gibt die Webseite: wettersaeulen-in-europa.de.

Epilog (Irrungen und Wirrungen)
Am 21. November 1964 zur Feier seines Hundert-Jährigen Bestehens schenkte der Naturwissenschaftliche Verein dem Bremer Senat eine Wettervitrine. Sie wurde in einem feierlichen Rahmen in der oberen Rathaushalle dem Vizepräsidenten der Bremischen Bürgerschaft Herrn Senator a.D. Dr. Zander übergeben. „Der Bürgerschaftspräsident gab die Vitrine weiter zu treuen Händen der Wetterstelle, die die Aufstellung und spätere Wartung übernehmen sollte (wird). Die Vitrine (ist) war mit einem registrierenden Barographen, Thermographen und Hydrographen“ sowie einem externen Anemometer ausgerüstet, dazu sollten aktuelle meteorologische Daten ausgehängt werden. (Lutz Schall, Bericht über die Hundert-Jahr-Feier, in: Sonderdruck aus Abhandlungen Hrsg.: Naturwissenschaftlicher Verein, 1967, S.68 ).

21. November 1964: Der Vorsitzende des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen, Professor Dr. Lutz Schall übergibt dem Vizepräsidenten der Bremischen Bürgerschaft, Senator a.D. Erich Zander (rechts), die Wettervitrine, die der Naturwissenschaftliche Verein aus Anlaß seines hundertjährigen Bestehens gestiftet hat / Foto: Lars Lohrisch-Archilles
21. November 1964: Der Vorsitzende des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen, Professor Dr. Lutz Schall übergibt dem Vizepräsidenten der Bremischen Bürgerschaft, Senator a.D. Erich Zander (rechts), die Wettervitrine, die der Natur-wissenschaftliche Verein aus Anlass seines hundertjährigen Bestehens gestiftet hat. Foto: Lars Lohrisch-Archilles

Diese neue Wetterstation sollte am neuen Haus der Bremischen Bürgerschaft angebracht werden. Von der Installation am neuen Haus der Bremischen Bürgerschaft wurde aus unbekannten Gründen abgesehen und nach langwierigen Verhandlungen um alternative Standorte und Finanzierungen wurde die Wettervitrine dem damaligen Wetteramt Bremen übergeben.

Das Wetteramt Bremen entschied in den achtziger Jahren die Wettervitrine in der damals neuen Ankunftshalle des Bremer Flughafens aufzustellen. Bestückt wurde sie mit Anzeigegeräten der Messanlagen des Wetteramtes vom Landebahnbeobachtungshaus. Angezeigt wurden Temperatur und Wind (Richtung und Geschwindigkeit), außerdem wurden täglich aktuelle Wetterkarten und Vorhersagen ausgehängt sowie Klimadiagramme des aktuellen und abgelaufenen Monats.

Nach dem erneuten Umbau zwischen 1990 und 1999 ist die Wettervitrine im heutigen Bremer Flughafen nicht mehr aufzufinden. Die Flugwetterwarte, seit 1996 Nachfolgeorganisation der Wetteramtes Bremen, konnte über den Verbleib der Wetterstation keinerlei Auskunft geben. Möglicherweise ist der Aushängekasten mit Wetterinformationen, in der Abflughalle des Bremer Flughafens, Nachfolger und letzte Spur der Wettervitrine von 1964.

Literatur:

  • Harry Schwarzwälder: Die Wettersäule vom Bischofstor, in: Bremisches Jahrbuch, 1988.
  • Thorwald Krukow: 100 Jahre Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen, in: 100 Jahre Naturwissenschaftlicher Verein zu Bremen, Schrift zum 100-jährigen Bestehens des Naturwissenschaftlichen Vereins, 17. November 1964.

Mit freundlicher Unterstützung durch den Senator für Kultur Bremen.